Vietnam setzt seinen Reformkurs Doi Moi unbeirrt fort und bietet Aktieninvestoren ein breites Universum an renditestarken Unternehmen. Ein Gespräch mit Mario Timpanaro, Fondsmanager des Lumen Vietnam Fonds von Aquis über die Fortschritte im Land, potenzielle Risiken und die Aufwertung Vietnams zum Emerging Market.
Herr Timpanaro, Vietnam gilt als Land im Aufbruch. Was tut sich konkret?
Mario Timpanaro: Wir erleben gerade die weitere Stufe von Doi Moi – einem Paradigmenwechsel. 1986 stand die Öffnung für Unternehmertum im Mittelpunkt. Heute geht es um Effizienz und Produktivität. Drei Dinge sind zentral: Erstens verlagert sich die Industrie immer stärker nach Vietnam. Im Norden Vietnams rund um Hải Phòng und im Süden um Ho-Chi-Minh-Stadt entstehen neue Cluster für Elektronik und Komponentenfertigung. Zweitens beschleunigt die Regierung Großprojekte bei Infrastruktur, Häfen und Energieversorgung. Das senkt Kosten und hebt die Wettbewerbsfähigkeit. Drittens wächst der Binnenkonsum zweistellig. Moderner Handel, E-Commerce und Tourismus entwickeln eine ganz neue Dynamik.
Welche Branchen treiben die Wirtschaft?
Timpanaro:Vietnam hat den klassischen „Textil-Schuh-Pfad“ längst weiter diversifiziert. Heute tragen Elektronik und Hightech einen wachsenden Anteil – mittlerweile über ein Viertel des BIP. Dazu kommen Banken, Versicherungen, Logistik, Infrastruktur, IT-Services und Fintech. Textilien sind für Beschäftigung weiterhin wichtig, aber die Richtung ist klar: mehr Wertschöpfung, weniger Lohnkostenvorteil.
Was macht Vietnam für Investoren spannend?
Timpanaro: Für den Lumen Vietnam Fonds schauen wir uns drei Faktoren an: strukturelles Wachstum, Reformdynamik und geopolitische Relevanz. Das Land hat eine junge, gut gebildete Bevölkerung, profitiert vom „China-Plus-One“-Trend und bleibt fiskalisch diszipliniert. Die Staatsverschuldung liegt bei 35 Prozent des BIP, ein niedriger Wert im Vergleich zur weltweiten Verschuldungsdynamik. Für Investoren bedeutet das: Vietnam ist nicht mehr nur ein Frontier-Markt, sondern ein Emerging Market mit einem breiten, investierbaren Universum an börsennotierten Unternehmen mit hohen Kapitalrenditen und verbesserter Governance.
Wo liegen die Risiken?
Timpanaro: Schwierigkeiten gibt es bei der Umsetzung und Energieversorgung. Reformen müssen konsequent weitergehen, und die Stromversorgung muss mit dem Wachstum Schritt halten. Extern sind Nachfrageschwäche und Zölle eine Belastung. Auch die Verflechtung von Immobilien und Banken bleibt ein potenzieller Risikofaktor. Für Investoren heißt das: Bilanzqualität, Cashflows und Transparenz sind entscheidend. Wir bei Lumen Vietnam verfügen über ein kompetentes, erfahrenes und lokales Analystenteam, das die Unternehmen direkt vor Ort eng begleitet. Das verschafft uns einen klaren Vorteil in einem noch ineffizienten Markt.
Vietnam bleibt von Trumps Zöllen nicht verschont. Fluch oder Segen?
Timpanaro: Kurzfristig sind Zölle ein Margen-Gegenwind in zollsensiblen Segmenten. Vietnam steht im Vergleich zu einigen regionalen Wettbewerbern besser da. Der vereinbarte Zollsatz von 20 Prozent ist verkraftbar. Unternehmen können durch diversifizierte Lieferketten, höhere Qualität und verlässlichere Lieferzeiten ihre Preise besser durchsetzen. Insgesamt hat die Zollpolitik die Diversifizierung der Produktion nach Vietnam beschleunigt und ist unterm Strich mittel- bis langfristig eher Katalysator als Bremse, bei kurzfristiger Volatilität.
Im September könnte FTSE Russell Vietnam zum „Emerging Market“ hochstufen. Welche Bedeutung hätte das?
Timpanaro: Man darf die Dimension nicht mit einer MSCI-Aufnahme vergleichen. Die Kapitalzuflüsse werden überschaubar sein. Aber die Symbolkraft ist groß. Es ist ein klares Signal, dass Vietnam für internationale Investoren nicht mehr zu ignorieren ist. Passives Geld wird einfließen, aber spannender ist, dass auch aktive Manager Vietnam stärker auf dem Radar haben. Entscheidend bleibt, dass die fundamentale Story stimmt – und die ist intakt: Wachstum, Reformen, Demografie und eine wachsende Zahl investierbarer Unternehmen. Dass unser Lumen Vietnam Fonds im laufenden Jahr deutlich stärker zugelegt hat als die meisten anderen Emerging Markets, die sich ebenfalls in einem Bullenmarkt befinden, unterstreicht diese Dynamik eindrucksvoll.
Vietnam präsentiert sich als wachstumsstarker Drehpunkt Asiens: junge Demografie, steigende Löhne bei rasantem Produktivitätszuwachs, massive Direktinvestitionen und die Verlagerung globaler Lieferketten befeuern Industrie, Binnenkonsum und eine sich modernisierende Kapitalmarktinfrastruktur. Mario Timpanaro erläutert, wie AQUIS Capital diese strukturellen Wachstumstreiber mit Vor-Ort-Research und einem konsequent aktiven Ansatz in fokussierte Beteiligungen übersetzt.
Vietnam rückt spürbar ins Rampenlicht: Die Wirtschaft wächst kräftig, internationale Konzerne bauen ihre Produktion vor Ort aus – und mit dem neuen Börsensystem (KRX) seit dem 05. Mai 2025 wirkt der Markt moderner und flüssiger als zuvor. Gleichzeitig schauen Indexanbieter wie FTSE und MSCI genauer hin, was zusätzlichen Rückenwind verspricht. In diesem Kontext sprechen wir mit Mario Timpanaro von AQUIS Capital über Chancen, Bewertungen und die nächsten Wachstumstreiber.
AQUIS Capital, eine unabhängige Vermögensverwaltung aus Zürich, setzt dabei seit Jahren auf einen sehr nahen Marktzugang in Ho-Chi-Minh-City, verbindet harte Fundamentaldaten mit einem disziplinierten Einstiegs- und Ausstiegsmanagement und investiert in Vietnams zentrale Themen wie Industrialisierung, Urbanisierung, Binnenkonsum und Finanzsektor. Der hauseigene Lumen Vietnam Fund ist als UCITS aufgelegt und zeigt seit Start eine beeindruckende Performance. Kurz: ein aktiver Ansatz mit klarer Vor-Ort-Kompetenz für ein Land, das gerade den nächsten Entwicklungssprung macht.
Herr Timpanaro, viele Profis kennen die Story grob. Warum ist Vietnam aus Sicht eines aktiven Aktienmanagers gerade jetzt relevant – ausschließlich mit Blick auf Wirtschaft und Marktstruktur?
Mario Timpanaro:
Südostasien ist derzeit die wachstumsstärkste Region der Welt. Und Vietnam ragt dabei besonders hervor: Das BIP-Wachstum lag im ersten Halbjahr 2025 bei 7,6 %. Die Verlagerung globaler Lieferketten aus China heraus ist in vollem Gange – die Pandemie hat diesen Prozess beschleunigt, und die beiden Amtszeiten von Donald Trump haben ihn zusätzlich befeuert.
Nahezu alle großen multinationalen Unternehmen verfügen heute über eine Produktionsstätte in Vietnam oder haben konkrete Pläne, Kapazitäten dorthin zu verlagern. Das zeigt sich auch in den ausländischen Direktinvestitionen, die in den ersten acht Monaten dieses Jahres ein neues Allzeithoch erreicht haben.
Für Aktieninvestoren ist das Bewertungsniveau (KGV) nach wie vor attraktiv, weil sich Fundamentaldaten und Markttechnik in die gleiche Richtung bewegen.
Auf der Makroseite sprechen solide Wachstumsprognosen dafür, dass die Erträge in den Bankensektor, Konsumgüter und Immobilien weiter steigen können.
Gleichzeitig hat die Marktinfrastruktur in den vergangenen Jahren Quantensprünge gemacht. Seit dem 05. Mai 2025 ist das neue KRX-Handelssystem in Betrieb – mit spürbaren Effekten auf Abwicklung, Effizienz und Erweiterbarkeit des Marktes. Für aktive Manager ist dies die Kombination, die die Investierbarkeit messbar verbessert – nicht als Erzählung, sondern sichtbar in höherer Liquidität, größerem Turnover und verlässlicheren Prozessen.
Das neue Handelssystem verfügt über eine Kapazität von 5 Mrd. USD Handelsvolumen pro Tag; derzeit liegt der tägliche Umsatz bei rund 1,5 Mrd. USD. Diese Entwicklung ist entscheidend für die geplante Hochstufung durch MSCI, von der ein beträchtlicher Kapitalzufluss erwartet wird.
Kurzum: Die Kombination aus makroökonomischem Wachstum und mikrostruktureller Verbesserung schafft ein außergewöhnlich günstiges Umfeld für aktive Investoren.
Wenn man die nächsten Jahre nach Treibern sortiert: Woher kommt aus Ihrer Sicht die nächste Ertragswelle?
Mario Timpanaro:
Wir sehen zwei voneinander unabhängige, aber komplementäre Ertragsquellen – genau das macht Vietnam derzeit so spannend. Sie verlaufen entlang zweier Linien:
Von außen nach innen:
Die anhaltendeVerlagerung globaler Lieferkettenzieht immer mehr Technologie- und Industriebranchen nach Vietnam. Das Land steigt rasant in der Wertschöpfungskette auf und entwickelt sich zum bevorzugten Standort für Produkte mit höherer Fertigungstiefe. Dadurch wächst der lokale Produktivitätsanteil, was die Attraktivität des Standorts weiter erhöht und einen signifikanten Beitrag zum BIP-Wachstum leistet.
Von innen nach außen:
Einewachsende Mittelschichtstützt den Binnenkonsum – er macht bereitsrund 55 % des BIPaus, einen der höchsten Werte in Südostasien. Gleichzeitig gewinnt die Digitalisierung im privaten Sektor an Dynamik: So können etwa Kauforders an der Börse inzwischen bequem per Smartphone platziert werden. Der Staat hat die Digitalisierung als wichtige Effizienzquelle erkannt und plant, diesen Prozess konsequent auf Verwaltungsebene auszuweiten. Die geplante Reduktion der Provinzen von 63 auf 34 ist dabei ein bedeutender Schritt und ein klares Signal, wohin die Reise geht.
Viele sprechen vom „Upgrade“ – was ist realistisch, wenn man auf Indexanbieter schaut?
Mario Timpanaro:
Dabei muss man FTSE und MSCI auseinanderhalten. Bei FTSE Russell steht Vietnam seit 2018 auf der Watchlist für einen Wechsel von Frontier zu zum Emerging. Wir erwarten die Bekanntmachung im Oktober und die Implementierung frühestens im ersten Quartal des nächsten Jahr 2026, spätestens jedoch im September 2026.
MSCI bleibt methodisch bekanntermaßen strenger - hier geht es in erster Linie um die Gleichbehandlung der Ausländischen Investoren wie die Einheimischen, hier muss die Regierung den Weg ebnen, zum Beispiel mit der Einführung sogenannter „Non Voting Shares“, oder ähnlichen Systematiken. Wir gehen davon aus, dass dieserin den nächsten 2-3 Jahrensoweit sein wird. Daher war es umso wichtiger das neue Handelssystem an der Börse bereits erfolgreich eingeführt zu haben.
Was unterscheidet AQUIS im Zugang zu diesem Markt von anderen Asien-Managern, wie sieht Ihr Anlageprozess aus?
Mario Timpanaro:
Unsere Unabhängigkeit und die Konsequenz im Investitionsprozess. Dabei stützen wir uns in der Fundamentanalyse auf unser hoch qualifiziertesAnalystenteam vor Ort in Ho Chi Minh City. Es ist einMix zwischen der Fundamental- und Chartanalyse, welche wir für das perfekte Timing für den Einstieg sowie dem Ausstieg der Position im Lumen Vietnam Fund nutzen.
Wir waren auch die ersten, welche die Nachhaltigkeit im Anlageprozess (2013) eingeführt haben und somit den Art. 8 der EU Verordnung erfüllen. Darüber hinaus haben wir als einer der ersten Fondsmanager das UCITS Label erhalten, was einen weiteren Meilenstein für uns darstellt.
Mit diesen beiden Kriterien ist es umso aufwendiger, aber auch auf längere Zeit gewinnbringend das Portfolio zu gestalten. Dabei steht für uns immer dierichtige Balance zwischen „Risk and Reward“ im Vordergrund, was uns in den letzten Jahren ausgesprochen gut gelungen ist.
Mario Timpanaro, Direktor & Fondsmanager bei AQUIS Capital
In Zeiten der hohen Volatilität ist es ein MUSS das Portfolio aktiv zu managen, nur so lässt sich signifikanter Mehrwert für unsere Anleger erwirtschaften.
In war für Themen oder Sektoren investieren Sie?
Mario Timpanaro:
Da wir keine Benchmark haben, sieht unsere Allokation im Portfolio anders aus als der Index. Unsere Investment-Themen sind kurz gesagt die Industrialisierung, Urbanisierung, der Binnenkonsum sowie die Finanzbranche.
Konkret sind wir in nach folgenden Kriterien in den Sektoren engagiert:
Wir investieren in Retailbanken und Versicherungen, die vomwachsenden Kredit- und Vorsorgemarktprofitieren. Im Bereich Industrie und Infrastruktur liegt unser Fokus auf Energie, Transport, Logistik und Bauwesen– den Grundpfeilern der industriellen Expansion in Vietnam.
Der Megatrend Urbanisierung spiegelt sich in Engagements inbezahlbarem Wohnraum, Shopping-Centern und Dienstleistungssektorenwider, die direkt vom steigenden Einkommen der Mittelschicht getragen werden.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Industrieparks, die stark von ausländischen Direktinvestitionen profitieren und ein wesentlicher Bestandteil der globalen Lieferkettenverlagerung nach Vietnam sind. Im Technologiesektor konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die Effizienz und Produktivität steigern – etwa in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung und Finanztechnologie.
Industrialisierung und Urbanisierung zählen zu den Kernsektoren für AQUIS Capital im Kontext Vietnam
Was ist Ihrer Meinung nach der große Treiber der Wirtschaft in Vietnam?
Mario Timpanaro:
Hier möchte ich die starke Leistung der Regierung in Hanoi hervorheben. Das Haushaltbudget der Regierung ist sehr gesund und dieVerschuldung zum BIP beträgt lediglich 35%.
Somit hat sie (die Regierung) genug Flexibilität in die Moderierung des Landes zu investieren. Das kommt nicht nur der Bevölkerung zugute, sondern auch der Wirtschaft und dem stark wachsenden Tourismussektor, der aktuelletwa 8-9 Prozent des Bruttoinlandsproduktsausmacht.
Das Wachstumsziel der Regierung von Vietnam ist mit 8-10 Prozent bis 2030 sicher sehr ambitioniert, aber durchaus machbar.
Darüber hinaus hat die Regierung mit ihrer sogenannten „Bamboo-Strategie“ in den vergangenen Jahren erfolgreich neue und bedeutende Handelsabkommen mit zahlreichen Ländern geschlossen. Parallel dazu erleben wir eine Wiederbelebung des Binnenkonsums, die der Wirtschaft zusätzlichen Rückenwind verleiht.
Zum Abschluss: Ihr komprimierter Pitch an (professionelle) Anleger?
Mario Timpanaro:
Insbesondere für Investoren, welche auch aus Diversifikationsgründen neue Investmentchancen suchen, bietet Vietnam eine hervorragend Gelegenheit – das bestätigt beispielsweise die Korrelation zum Euro-Stoxx, die gerade einmal 0,28 % beträgt.
Ferner sind auch die Bewertungen im Lumen Vietnam Fund für 2026 bei einem Faktor von etwa 11,8-Fach mit einem EPS von circa 17 % moderat.
Der Fonds hat eine tägliche Liquidität und ist in verschiedenen Währungstranchen zu zeichnen. Dabei ist die Euro-Tranche jeweils in einem 3-Monats Swap gegenüber dem US-Dollar abgesichert. Der aktive gemangte Fonds hat seit Auflage in 2012 einen durchschnittlichen Ertrag von 10.26 % (USD Retail Tranche per 30.9.2025) erwirtschaftet. Und wir sind überzeugt davon, diesen Erfolg weiter ausbauen zu können.
Elektronik und Hightech statt Textil – Vietnams Wirtschaft setzt zunehmend auf komplexe Wertschöpfung, meint Mario Timpanaro. Der Fondsmanager des Lumen Vietnam Fonds von Aquis Capital spricht über das ambitionierte Reformprogramm, potenzielle Risiken und die Vorteile von Trumps Zollpolitik.
Herr Timpanaro, Vietnam gilt als Land im Aufbruch. Was tut sich konkret?
Mario Timpanaro: Wir erleben gerade die weitere Stufe von Doi Moi – einem Paradigmenwechsel. 1986 stand die Öffnung für Unternehmertum im Mittelpunkt. Heute geht es um Effizienz und Produktivität. Drei Dinge sind zentral: Erstens verlagert sich die Industrie immer stärker nach Vietnam. Im Norden Vietnams rund um Hải Phòng und im Süden um Ho-Chi-Minh-Stadt entstehen neue Cluster für Elektronik und Komponentenfertigung. Zweitens beschleunigt die Regierung Großprojekte bei Infrastruktur, Häfen und Energieversorgung. Das senkt Kosten und hebt die Wettbewerbsfähigkeit. Drittens wächst der Binnenkonsum zweistellig. Moderner Handel, E-Commerce und Tourismus entwickeln eine ganz neue Dynamik.
Welche Branchen treiben die Wirtschaft?
Timpanaro: Vietnam hat den klassischen „Textil-Schuh-Pfad“ längst weiter diversifiziert. Heute tragen Elektronik und Hightech einen wachsenden Anteil – mittlerweile über ein Viertel des BIP. Dazu kommen Banken, Versicherungen, Logistik, Infrastruktur, IT-Services und Fintech. Textilien sind für Beschäftigung weiterhin wichtig, aber die Richtung ist klar: mehr Wertschöpfung, weniger Lohnkostenvorteil.
Was macht Vietnam für Investoren spannend?
Timpanaro: Für den Lumen Vietnam Fonds schauen wir uns drei Faktoren an: strukturelles Wachstum, Reformdynamik und geopolitische Relevanz. Das Land hat eine junge, gut gebildete Bevölkerung, profitiert vom „China-Plus-One“-Trend und bleibt fiskalisch diszipliniert. Die Staatsverschuldung liegt bei 35 Prozent des BIP, ein niedriger Wert im Vergleich zur weltweiten Verschuldungsdynamik. Für Investoren bedeutet das: Vietnam ist nicht mehr nur ein Frontier-Markt, sondern ein Emerging Market mit einem breiten, investierbaren Universum an börsennotierten Unternehmen mit hohen Kapitalrenditen und verbesserter Governance.
Wo liegen die Risiken?
Timpanaro: Schwierigkeiten gibt es bei der Umsetzung und Energieversorgung. Reformen müssen konsequent weitergehen, und die Stromversorgung muss mit dem Wachstum Schritt halten. Extern sind Nachfrageschwäche und Zölle eine Belastung. Auch die Verflechtung von Immobilien und Banken bleibt ein potenzieller Risikofaktor. Für Investoren heißt das: Bilanzqualität, Cashflows und Transparenz sind entscheidend. Wir bei Lumen Vietnam verfügen über ein kompetentes, erfahrenes und lokales Analystenteam, das die Unternehmen direkt vor Ort eng begleitet. Das verschafft uns einen klaren Vorteil in einem noch ineffizienten Markt.
Vietnam bleibt von Trumps Zöllen nicht verschont. Fluch oder Segen?
Timpanaro: Kurzfristig sind Zölle ein Margen-Gegenwind in zollsensiblen Segmenten. Vietnam steht im Vergleich zu einigen regionalen Wettbewerbern besser da. Der vereinbarte Zollsatz von 20 Prozent ist verkraftbar. Unternehmen können durch diversifizierte Lieferketten, höhere Qualität und verlässlichere Lieferzeiten ihre Preise besser durchsetzen. Insgesamt hat die Zollpolitik die Diversifizierung der Produktion nach Vietnam beschleunigt und ist unterm Strich mittel- bis langfristig eher Katalysator als Bremse, bei kurzfristiger Volatilität.
Im September könnte FTSE Russell Vietnam zum „Emerging Market“ hochstufen. Welche Bedeutung hätte das?
Timpanaro: Man darf die Dimension nicht mit einer MSCI-Aufnahme vergleichen. Die Kapitalzuflüsse werden überschaubar sein. Aber die Symbolkraft ist groß. Es ist ein klares Signal, dass Vietnam für internationale Investoren nicht mehr zu ignorieren ist. Passives Geld wird einfließen, aber spannender ist, dass auch aktive Manager Vietnam stärker auf dem Radar haben. Entscheidend bleibt, dass die fundamentale Story stimmt – und die ist intakt: Wachstum, Reformen, Demografie und eine wachsende Zahl investierbarer Unternehmen. Dass unser Lumen Vietnam Fonds im laufenden Jahr deutlich stärker zugelegt hat als die meisten anderen Emerging Markets, die sich ebenfalls in einem Bullenmarkt befinden, unterstreicht diese Dynamik eindrucksvoll.
„Infrastruktur, Innovation und Investitionen: Vietnam wird für Anleger immer attraktiver“
Mit ehrgeizigen Wachstumszielen und milliardenschweren Investitionen positioniert sich Vietnam als Asiens neuer Wirtschaftsmotor, so Mario Timpanaro, Portfoliomanager des Lumen Vietnam Fund.
Herr Timpanaro, die vietnamesische Regierung hat die BIP-Prognose für 2025 auf 8 Prozent angehoben. Ist das realistisch?
Mario Timpanaro:Das Wachstumsziel ist ambitioniert, aber durchaus erreichbar, insbesondere angesichts des starken Vorstoßes der Regierung für Investitionen in die Infrastruktur. Die Regierung zeigt Entschlossenheit, die Infrastrukturentwicklung zu beschleunigen, um das volle Wachstumspotenzial des Landes auszuschöpfen. Die Investitionen sollte unserer Meinung nach 1 bis 1,5 Prozent zum BIP in den nächsten Jahren beitragen.
Dazu gehören die Erweiterung des Flughafenterminals 3 im Zentrum von Ho Chi Minh City – Einweihung am 5. April –, aber auch der neue Flughafen südlich der Metropole, der im ersten Halbjahr 2026 fertiggestellt sein soll. Des Weiteren sind weitere neun Metrolinien geplant, die erste Linie wurde Ende 2024 erfolgreich in Betrieb genommen. Eine Großstadt kann ohne gut funktionierende Metro nicht gedeihen. Der Ausbau der Autobahnen wird mit großen Anstrengungen weitergeführt, was letztlich auch dem Logistiksektor und dem Tourismus zugutekommt. Zusätzlich wird das Megaprojekt der Hochgeschwindigkeitszuglinie gestemmt, welche die Hauptstad Hanoi mit der Wirtschaftsmetropole Ho Chin Minh City verbinden soll. Ein Investment von 67 Milliarden US-Dollar – bis 2035 soll die Verbindung stehen.
Während Ihres letzten Besuchs lag der Optimismus in Bezug auf das Inlandwachstum eher hinter der Markterwartung. Welche Impulse braucht es, um die Trendwende einzuleiten?
Timpanaro:Wir merken, dass die Menschen im Land vermehrt Geld sparen. Zwar nahmen die Neuwagenzulassungen im vergangenen Jahr leicht um 2.6 Prozent zu, aber beim Erwerb von langlebigen Gütern sehen wir eine gewisse Zurückhaltung. Der Verkauf von elektronischen Komponenten hinkt ebenfalls der Markterwartung hinterher, während der Export dieser Güter stark zugenommen hat. Diese zurückhaltende Haltung spiegelt sich im PMI-Index, der in den vergangenen drei Monaten unter der Schwelle von 50 Punkten – Februar: 49,2 – lag. Der Binnenkonsum trägt mit 55 Prozent stark zum Bruttoinlandprodukt bei.
Eine sehr positive Entwicklung für die Wirtschaft ist der Aufschwung des Tourismus: In den ersten zwei Monaten 2025 haben die Übernachtungszahlen um 30 Prozent zugenommen. Neben Touristen aus Südostasien beobachten wir eine große Nachfrage aus Europa, speziell aus Deutschland. Der Tourismus trägt schon jetzt rund 8 Prozent zum BIP bei.
Neben dem traditionellen Fertigungssektor scheint Vietnam auch in fortschrittliche Industrien wie Halbleiter und KI vorzudringen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Timpanaro:Ein äußerst spannendes Thema. Vietnam hat sich nicht nur als Produktions-Hub etabliert, sondern gewinnt zunehmend auch in fortschrittlichen Industrien wie der Halbleiterfertigung und KI an Bedeutung. Große Technologieunternehmen wie Samsung, Intel, LG, Apple und Google haben Produktionsstätten in Vietnam errichtet. Das ist nicht nur ein Beweis für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, sondern auch für die wachsende Innovationskraft. Besonders bemerkenswert ist, dass Nvidia ein KI-Forschungszentrum in Hanoi etabliert, was Vietnams Ambitionen, zu einem der führenden KI-Zentren in Südostasien zu wachsen, stärkt.
Trotz des Optimismus sind Bedenken hinsichtlich der Zölle und Handelspolitik nach wie vor präsent. Welche Strategie verfolgt die Regierung, um mit ihnen umzugehen?
Timpanaro:Während US-Zölle weltweit für Verunsicherung sorgen, bleibt Vietnam vergleichsweise entspannt, weil sie ein paar Starke Argumente an den Verhandlungstisch, sprich Gegengeschäfte im Umfang von mehreren Milliarden USD einbringen kann. Dank seiner sogenannten „Bambuspolitik“ – flexibel, aber standhaft, gelingt es der vietnamesischen Regierung, sich geschickt zwischen geopolitischen Interessen zu bewegen. Die Zölle auf vietnamesische Exporte sind im Vergleich zu direkten Wettbewerbern wie zum Beispiel China geringen.
Welche Bedeutung hat Vietnam für Investoren im asiatischen Raum?
Timpanaro:Vietnam bietet heute eine der spannendsten Anlagemöglichkeiten im asiatischen Raum, besonders im Hinblick auf das starke Wirtschaftswachstum und die beeindruckende Erholung der Unternehmensgewinne. Wir rechnen für den Lumen Vietnam Fund mit einem Gewinn von 17 Prozent pro Aktie, bei einer KGV-Bewertung von lediglich 11,9. Das BIP dürfte in diesem Jahr 7 Prozent betragen, wovon wir in Europa nur träumen können. Vietnam bietet eine sehr gute Diversifikation für jedes Portfolio, da die Korrelation zu den meisten wichtigen Indizes weltweit sehr niedrig ist.
Wie sehen Sie die Entwicklung am vietnamesischen Aktienmarkt?
Timpanaro:Wir beobachten, dass die inländischen Investoren am Markt zurückgekommen sind. Das täglich gehandelte Volumen beträgt durchschnittlich 800 bis 900 Million US-Dollar. Nach einer längeren Seitwärtsbewegung zwischen 1.260 und 1.300 Punkten ist der Markt jüngst nach oben ausgebrochen. Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe: Zum einen die Einführung des neuen Handelssystems KRX, das auch Intraday Trading erlaubt, was wiederum das Handelsvolumen beflügeln wird. Der zweite viel wichtigere Grund ist die für September 2025 geplante Hochstufung zum Emerging Market durch FTSE Vietnam. Das wird dem Markt neue Impulse verleihen. Die Hochstufung durch MSCI wird erst in ein bis zwei Jahren erwartet, was dem vietnamesischen Aktienmarkt den weit größeren Turboeffekt bringen sollte.
Wie stabil ist die Regierung in Hanoi und was macht sie, um internationale Anleger anzuziehen?
Timpanaro:Sie ist sehr stabil. Zum einen ist zu sehen, dass sie die nötigen Schritte unternimmt, um den Wohlstand im aufstrebenden Land zu gewährleisten. Das wird von der Bevölkerung wohlwollend aufgenommen. Zum anderen erarbeitet sie sich die nötige Glaubwürdigkeit und Transparenz bei den ausländischen Gesellschaften. Ob Infrastruktur, Innovation oder die ambitionierten Investitionen: Vietnam wird für Anleger immer attraktiver. Daher erstaunt es nicht, dass die ausländischen Direktinvestitionen sich so gut entwickelt haben; 2024 flossen 25,35 Milliarden US-Dollar in das Land – ein Rekordhoch. Waren es in der Vergangenheit internationale Firmen, die den Produktionsstandort von China nach Vietnam verlagerten, beobachten wir, wie bereits im letzten Quartal 2024, dass chinesische Gesellschaften diesem Trend folgen. Dies geschieht aus der Befürchtung heraus, sich aufgrund der US-Zölle neu aufstellen zu müssen. Dieser Trend wird unserer Meinung nach auch die nächsten Jahre anhalten, bevor es zu einer Konsolidierung kommen könnte.